Behle contra Schlickenrieder
Unter dem Artikel im Internet „Legende kanzelt Bundestrainer ab“ spricht Behle mit meinen Worten
(Entwarnung für unsere Mädels, ihr müsst nicht alle zunehmen und mein Gewicht einholen!)

Es war mir klar, dass Jochen nicht lange mit seiner Antwort wartet und auf den Rundumschlag von Schlickenrieder reagiert, obwohl dessen Abfälligkeiten im Äther wirkungslos verhallt sind. Wenn man aber als Nestbeschmutzer mit Schlamm um sich wirft, bringt das unsere Skilanglaufsituation auch keinen Millimeter voran. Ich habe mit Schlickenrieder in der Vergangenheit auch schon im Rollskiverband zu tun gehabt und schlechte Erfahrungen gemacht. Einfach inkompetent. Aber wie sagte er im Interview nach dem 15 km Lauf der Männer von unserem Läufer Moch über seinen risikovollen Start? „ Die Anderen schocken, ist immer gut“ witzelte Schlickenrieder. Aber nicht Jeder fasst seine Überheblichkeit und Geschmacklosigkeit als Witzelei auf. Deshalb finde ich, Behle seine Aussage stellt die Realität wieder her.
Jochen  Behle hatte natürlich zu seiner Nationaltrainerzeit aber auch das große Los gezogen. Viele Trainer werden ihn um seine Trainertätigkeit beneidet haben. Denn er konnte die Früchte unseres DDR Leistungssportsystems voll auskosten. Und das über 10 Jahre hin. Ihm gelang es, ein Nationalteam zusammen zu stellen, davon werden wir noch lange träumen. Aber wie gesagt, er konnte dabei die Erfolge der systematischen DDR Nachwuchsarbeit voll auskosten und genießen. Denn Sportler wie R. Sommerfeldt (DDR), A. Schlütter (DDR), J. Filbrich (DDR), A. Teichmann (DDR), M. Henkel (DDR), C. Nystad (DDR), V. Bauer (DDR) mit T. Angerer (BRD) und E. Sachenbacher  (BRD) haben damals Weltmeisterschafts und Olympiamedaillen gewonnen. Mit diesen Läufern waren wir Weltspitze. Da haben wir den Norwegern und den Russen gezeigt, wie Langlauf geschrieben wird. Aber die Anzahl der damals noch vorhandenen ehemaligen DDR Athleten kam nicht von ungefähr. Diese Ausnahmeathleten durchliefen ein ausgeklügeltes und talentorientiertes Nachwuchsleistungssportsystem. An dem man auch heute noch nicht daran vorbei kommt. Und wenn man nicht so stur und uneinsichtig wäre, könnte man sich die sehr guten Seiten diesen Erfolgssystems der DDR selbst zu eigen machen. Aber dazu müssten so ein paar unnachgiebige Wessifunktionäre mal über ihren Schatten springen,
JA, Schlickenrieder ist sauer. Er hat sich mehr erhofft von dieser Heim- WM. Wir Langläufer aus Deutschland auch. Aber wir können nur mit den Athleten antreten, die wir zur Verfügung haben. Und das sind schon lange nicht mehr unsere besten Talente. Denn es kann doch rein logisch und rechnerisch gar nicht sein, dass ein 5 Millionenvolk die letzten 10 Jahre ganz klar die Weltspitze bei den Männern und den Frauen in den Wintersportarten bestimmt. Und Deutschland mit seinen 85 Millionen Einwohnern seinen alten Medaillenreigen hinterher träumt. Da stimmt doch was im System nicht. Da gebe ich unseren Aktiven, die sich redlich mühen, nur eine kleine Teilschuld. Weltmeister werden auch nicht mit der Wissenschaft geboren. Weltmeister werden systematisch in einem modernen Langzeitsystem entwickelt. Und das haben einige Nationen von der DDR gelernt. Nur wir nicht!
Da werden Millionen Euro an Steuergeldern in den Spitzensport gepulvert. Aber die Erfolge bleiben dürftig und gehen langsam aus. Und warum? Bei dem einen oder anderem Fernsehinterview kam es mal vorsichtig zur Sprache. Aber so richtig traut sich niemand den Finger in die Wunde zu legen.
WIR HABEN EIN NACHWUCHSPROBLEM. (Nicht nur im Wintersport.)
Und das lösen wir auch nicht, wenn wir noch mehr Funktionäre im Spitzensport etablieren. Oder wenn wir jeden Sportler und jeden sogenannten Sportfunktionär in Bognerklamotten verpacken und ein Wachstrack mit 400 Paar Ski durch die Welt fährt.
Oder wenn unsere Athleten in super Luxushotels zu Trainingslagern und Wettkämpfen unterwegs sind. Wir haben in diesem Spitzenbereich schon lange die Basis und die Normalität unter den Füßen verloren.
Wenn wir 1 Million in den Spitzensport stecken, müssen 2- 3 Millionen in die Nachwuchsgewinnung und Nachwuchsentwicklung gesteckt werden. Alles andere ist Mumpitz. Das heißt, oben mehr Geld weg und ab damit an die Basis, wo es hingehört. Wir Vereine in einem der reichsten Länder der Welt schlagen uns mit Problemen herum, wie manche Entwicklungsländer. Wir brauchen der Zeit angepasste Ausbildungsstützpunkte. Wir brauchen hauptamtliche Trainer, wie in den ehemaligen Trainingszentren. Keine Regionaltrainer als Übungsleiter, die mit einer Aufwandentschädigung abgespeist werden. Wir brauchen an der Basis Vereine mit einer ökonomisch vertretbaren Infrastruktur. Wir brauchen eine klare Abstimmung mit den Bildungsträgern. Und dann benötigen wir finanziell verträgliche Sportschulen mit qualifizierten Erziehern in einer Internatsbetreuung. Das hatten wir alles schon vor vielen Jahren. Entweder wir überarbeiten unser System oder wir werden über kurz oder lang noch weniger Erfolge feiern können. Wenn wir unsere Kinder und Jugend nicht gezielt und erfolgsorientiert für den Nachwuchsleistungssport gewinnen, gehen uns die Talente und die Kämpfer in den nächsten Jahren aus. (Vielleicht nicht im Fußball, denn dort gibt es schon sehr gute Ansätze bis in die Vereine.)
Ich weiß dabei genau, wovon ich rede. Ich war in den Jahren 1980 bis 1990 einer der erfolgreichsten Nachwuchstrainer  im Bereich Skilanglauf in der DDR. Ich habe in dieser Zeit etwa 50 kleine Sportler an verschiedene Sportschulen delegiert. Und wenn unser System nicht mit der Wende systematisch zerstört worden wäre, wären aus meinen Trainingsgruppen vielleicht noch ein zweiter und dritter Renè Sommerfeldt entstanden.

Was sagt uns nun diese Heim- WM. Wir haben uns redlich gemüht. Und ich wünsche unseren Sportlern noch ein paar erfolgreiche Rennen. Aber ich bin Trainer genug, um zu wissen, dass keiner unserer Athleten zaubern kann.
Am Wachs und am Material kann es heute nicht mehr liegen. Das sind unfachmännische Ausreden. (Außer vielleicht bei den Finnen, die mit zwei Paar Ski anreisen. Passiert zum WC Biathlon.)
Zu dünn und zu dick gibt es auch nicht. Die dünnsten Männer sind mit Abstand die Norweger und die Deutschen. Die dicksten sind die Russen. Also auch das Argument wackelt. Die Wissenschaft hilft uns auch nicht zwischen Start und Ziel. Aber vielleicht schaut Herr Schlickenrieder mal auf die Technik seiner Läufer, die er ja von früh bis
spät filmt wie ein Weltmeister. Die Norweger und die Russen laufen mit Abstand die beste Technik. Das sieht bei unseren teilweise aus…Und die Norweger, die Russen und ein paar wenige andere Läufer laufen ganz einfach um ein vielfaches schneller als wir. Und das ist Material, Talent und Training. Und man muss vielleicht auch in Zukunft wieder mehr Prioritäten setzen. Ist der unbedeutende Weltcup- Skizirkus Woche für Woche rund um den Globus wirklich so wichtig, wo ich mir am Ende vielleicht vorgaukle ich bin schon Weltspitze? Oder sollte ich mich besser und gezielter auf die Saisonhöhepunkte konzentrieren und mit „meinem Körper als wichtigstes Gut“ (Zitat Klaebo) besser haushalten.
Die Norweger haben auf jeden Fall alles richtig gemacht. Bei uns sehe ich das etwas anders.

V.H.                                                                                                                                         März 2021

 

PSV Zittau e.V. Abteilung Ski